MORITZ - Modulares Risk-Management durch Technologie-Analyse zur Versicherung stationärer Gasturbinen (Richard Grunke)
Ausgabe 6/96


Teil 1 - Grundlagen


3. Betreiberspezifische Risiken
resultieren aus beabsichtigten und unbeabsichtigten Einflüssen, die von außen auf die Gasturbine einwirken.

Diese Risiken können durch gezielte Maßnahmen wiederum vermindert werden.

In diesem Abschnitt werden sowohl die einzelnen Risiken als auch Maßnahmen zu ihrer Verminderung beschrieben.

Es läßt sich jedoch nicht starr festlegen, welche Maßnahmen ein bestimmtes Risiko in welchem Umfang vermindern, die Anzahl der einzelnen Maßnahmen und ihrer denkbaren Kombinationen ist zu groß.

3.1 Betriebsweise- Risiken
ergeben sich aus den Eigenheiten der jeweiligen Betriebsweise und sind bereits zum großen Teil durch die Anlagenplanung vorgegeben.

3.1.1 Geplante korrosive Bestandteile in der Zuluft
Es gibt Gasturbinenanlagen, die primär der Entsorgung schadstoffbelasteter Luft aus verfahrenstechnischen Prozessen dienen. Diese Luft wird der Gasturbinenanlage als Verbrennungsluft zugeführt, die Schadstoffe werden verbrannt, als "Nebenprodukt" wird Energie erzeugt.

Risiko
Gefahr exzessiver Korrosion an praktisch allen Baugruppen


3.1.2 Korrosive Bestandteile im Brennstoff
Dazu gehören Schwefel, Chlor, Vanadium, Blei, Natrium und Kalium, die z.B. aus wirtschaftlichen Gründen nicht aus den Brennstoffen entfernt werden.

Risiko
Exzessive Hochtemperaturkorrosion der Heißteile


3.1.3 Schnellstarts / Notabschaltungen
können anlagenbedingt vorgegeben sein.

Risiko
Thermoermüdungsschäden an den Heißteilen


3.1.4 Hohe Anzahl von Start-/ Abstellzyklen
kann anlagenbedingt vorgegeben sein.

Risiko
Hoher bzw. unkalkulierbarer Lebensdauerverbrauch durch Low Cycle Fatigue und Thermoermüdung


3.1.5 Stillstandzeiten
ergeben sich geplant und ungeplant.

Risiken:
Schäden durch Naßkorrosion
Temperaturschwankungen (Schwitzwasserbildung) und Seeluft (Salzkorrosion) verschärfen das Risiko


3.1.6 Leistungssteigerung durch "overwatering"
Dabei wird die, für die Schadstoffreduzierung vorgesehene, Anlage zur Wasser-/ Dampfeindüsung in die Brennkammer durch Steigerung der Wasser-/ Dampfmenge zur Leistungssteigerung und Wirkungsgradverbesserung benutzt.

Risiken:
Höhere thermische Belastung der Heißteile durch höheren Wärmeübergang
Erosionsschäden bei Tropfenbildung in Brennkammer, Überleitstücken und Turbine. Diesbezüglich ist Wassereindüsung kritischer als Dampfeindüsung
Kavitationsschäden an dampfführenden Teilen
Vorzeitiger Ausfall von Bauteilen infolge höherer Belastung durch höhere Leistungsabgabe, z.B. Lagerschäden


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3.2 Standort-Risiken

3.2.1 Geographischer Standort

3.2.1.1 Maritim
Risiken:
Verstärkte Hochtemperaturkorrosion durch Meersalz
Exzessive Naßkorrosion bei längeren Stillstandzeiten durch Meersalz


3.2.1.2 Wüste
Risiken:
Bei verringertem Luftdurchsatz infolge hoher Außentemperaturen: Überhitzung der Turbine
Verdichterschäden durch Sanderosion
Turbinenschäden durch Verschluß von Kühlluftbohrungen infolge Sandaufschmelzungen


3.2.1.3 Arktisch
Risiken:
Schäden beim Start durch zähes Schmier- und Steueröl
Vereisungsgefahr mit Folgeschäden:
Eisschlag im Verdichter, verminderter Luftdurchsatz (Überhitzung der Turbine)
Durch extrem kalte Luft Überlastung der Verdichter-/ Turbinenbeschaufelung infolge erhöhten Massendurchsatzes


3.2.1.4 Tropen
Risiken:
Tropfenerosion im Verdichterbereich bei schweren Regenfällen
Stillstandkorrosion durch hohe Luftfeuchtigkeit
bei verringertem Luftdurchsatz infolge hoher Außentemperaturen Überhitzung der Turbine


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3.2.2 Lokaler Standort
Dessen Besonderheiten betreffen vorwiegend Luftverunreinigungen und deren

Risiken:
Erosion und Korrosion des Verdichters
Hochtemperaturkorrosion in der Turbine
Überhitzung durch blockierte Kühlluftwege

Für die einzelnen Standorte sind folgende Luftverschmutzungen typisch:

3.2.2.1 Landwirtschaft:
Mineraldünger, Erdstaub

3.2.2.2 Kraftwerk mit REA, Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen:
Schwefel, Feinstäube

3.2.2.3 Industrie, Hafen:
Verschmutzungen durch die verarbeiteten / umgeschlagenen Stoffe

3.2.2.4 Truppenübungsplatz:
Munitionsrückstände, Erdstraub

3.2.2.5 Straßen:
Reifenabrieb

3.2.2.6 Flächenbrandgefahr (Wald, Steppe, Zuckerrohrfelder):
Ruß, Asche

3.2.2.7 Vulkane:
Asche, Schwefel

3.2.2.8 Rezirkulationswinde (Ansaugen der eigenen Abgase):
Ruß, Aufkonzentration der im Brennstoff vorhandenen Verunreinigungen, Überhitzung durch die im Abgas gespeicherte Wärme.

3.2.3 Bedienpersonal
Risiken resultieren aus Defiziten an:
Ausbildungstand
Erfahrung im Betrieb von Gasturbinen
Englischen Sprachkenntnissen (bei westlicher Technik)


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3.3 Reduzierung der Betreiberspezifischen Risiken
Risikoverschärfende Umstände können durch geeignete Maßnahmen bei Auslegung bzw. Betrieb und Wartung der Anlage teilweise oder ganz kompensiert werden.

3.3.1 Adaptierte Auslegung der Anlage
  • Korrosionsschutz
    Werkstoffe
    Schutzschichten
  • Zuluftfiltration
  • Anti-Icing-System
  • Zuluftkühler
  • Klimatisierung Betriebsgebäude


3.3.2 Adaption von Betrieb und Wartung der Anlage
Auch diese Maßnahmen erfordern z.T. eine entsprechende technische Ausstattung der Anlage.

  • Brennstoff-Additive
  • Waschprozeduren
  • Konservierung bei Stillstand
  • Anlagenüberwachung
    • Schwingungen
    • Pyrometrie Turbinenschaufeln
    • Boroskopie
    • Ölanalysen
    • Filterrückstände
    • Magnetstopfenablagerungen
    • Fouling / Deterioration
  • Realistische Berücksichtigung von Umfang und Art der Start-/ Abstellzyklen in der Berechnung der äquivalenten Betriebsstunden.


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3.4 Reparaturrisiken
resultieren aus maschinenspezifischen und betreiberspezifischen Besonderheiten, sie könnten auch in den entsprechenden Abschnitten behandelt werden. Zur leichteren Erfassung werde sie hier zu einer eigenen Gruppe zusammengefaßt. Die neuen Technologien und deren Reparaturrisiken sind so eng verknüpft, daß sie in Abschnitt 2 gemeinsam behandelt und als maschinenspezifische Risiken bewertet werden.

3.4.1 Reparaturfreundliche Technik?


3.4.1.1 Was sind schadensrelevante Komponenten?
Dazu gehören in der Regel die Leit- und Laufschaufeln der ersten Turbinenstufe.

3.4.1.2 Risiken bezüglich deren:
Zugänglichkeit
Austauschbarkeit
Reparierbarkeit
Verfügbarkeit
Preis


3.4.1.3 Risiken durch demontagebedingte Probleme oder Schäden
Kosten und Verzögerungen durch

Nicht lösbare Schraubverbindungen
Zusätzlicher Aufwand beim Austausch von Modulen, z.B. an Labyrinthdichtungen


3.4.2 Voraussetzungen für Reparaturen vor Ort?
Risiken aus dem Transport von Personal und Ersatzteilen zur Anlage durch

Große Entfernungen
Schlechte/ teure Transportmöglichkeiten
Extreme Wetterverhältnisse
Unsichere Staatsgrenzen


3.4.3 Voraussetzungen für Reparaturen im Shop?
Risiken bezüglich

Transport wie 3.4.2.
Technische Ausstattung und Kompetenz des Reparaturshops


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Copyright © 1996, Richard Grunke, München
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